Vermeidung als Strategie

Weshalb wir einen Mentalitätswechsel brauchen

Es herrscht eine komische Stimmung im Land.

Ein gefühlter Mix aus Verunsicherung, Zukunftssorgen, Anspannung und Reizbarkeit.

Das „politische Erdbeben“ vor sechs Wochen, als die US-Wahl entschieden war und die deutsche Ampel der Vergangenheit angehörte, verstärkte diese schon länger bestehende Entwicklung.

Was tun wir Menschen, wenn wir uns bedroht fühlen? Wir sichern uns ab, bauen Vorräte auf und konsumieren weniger. Unser Vertrauen in diverse Instanzen schwindet, wir werden anfälliger für gefährliche Ideologien.

Die weltweite Politik macht es vor: sie strotzt nur so vor gegenseitigen Schuldzuweisungen, Disharmonie, Misstrauen und Drohgebärden.

Viele Firmen scheuen Investitionen. Es fehlen stabile politische Verhältnisse und Rahmenbedingungen, Handelskonflikte drohen, laufende Ausgaben steigen und Einnahmen stagnieren oder gehen zurück.

Welche Auswirkungen hat dieser Teufelskreis auf unsere psychische und körperliche Gesundheit? Und was können wir von den alten Philosophien und Gesundheitslehren lernen, um nicht in den Sog der zunehmenden Katastrophisierung gezogen zu werden?

Angst führt zu Vermeidung

Ängste nehmen seit Jahren in allen Altersklassen zu.

Und sie wirken sich auf unsere Gefühle, Wahrnehmung und Denkmuster aus.

Betroffene fühlen sich unsicher, hilflos, ausgeliefert. Ihre Aufmerksamkeit ist auf Gefahrenreize fokussiert, es entsteht ein Tunnelblick mit Fehlwahrnehmungen. Körperliche Symptome werden als gefährlich und unerträglich eingeschätzt und die vermeintliche Zukunft katastrophisiert.

Aus dieser Gemengelage entsteht unser Vermeidungsverhalten mit zunehmender Passivität und Lähmung. Wir vermeiden Orte, Menschen und Aktivitäten, die Ängste auslösen können und damit als potenziell gefährlich eingestuft werden. Das wiederum schränkt unseren Lebensraum und seine Vielfalt an Möglichkeiten immer mehr ein.

Was sich kurzfristig als Entlastung anfühlt, entpuppt sich mittel- und langfristig als Teufelskreis: wiederholtes Vermeidungsverhalten verstärkt Ängste, die zu weiterer Vermeidung führen. Irgendwann entsteht Angst vor der Angst. Spätestens dann benötigen wir professionelle Hilfe.

Andauernde und immer wiederkehrende Ängste wirken sich oft körperlich aus. Die zunehmende Unruhe und Anspannung führt zu Beschwerden wie Schlafstörungen, Bluthochdruck und Herzrasen, Kurzatmigkeit, Schwindel, Zittern, Schmerzen und nachlassender kognitiver Leistungsfähigkeit. All diese Symptome und unser Kampf gegen sie kostet enorm viel Kraft.

Wer und was ist wichtig?

Damit es gar nicht so weit kommt, sollten wir uns jeden Tag mit dem Wichtigsten in unserem Leben verbinden: nahestehende Menschen und Werte im Sinne von persönlichen Eigenschaften, die uns am Herzen liegen.

  • Wofür soll mein Leben stehen?
  • Welche Qualitäten möchte ich entwickeln?
  • Welche Fähigkeiten möchte ich verwirklichen und weitergeben?

 
Wenn wir unser Handeln danach ausrichten, entstehen Glück, Vertrauen und Zuversicht – auch wenn die Welt um uns herum verrückt spielt.

Was kann ich verändern?

In meiner Praxis stelle ich zum Abschluss einer Erstkonsultation gerne diese zentrale Frage:

Was wünschen Sie sich als Therapieziel und Ergebnis unserer Arbeit?

Häufige Antworten lauten:

  • Ich möchte mehr Energie haben.
  • Ich möchte mich wieder ausgeglichen fühlen.
  • Ich möchte frei von Beschwerden sein.

 
Diese Wünsche sind vollkommen normal, wir Alle haben sie.

Das Problem dabei: wir können sie zumeist nicht direkt beeinflussen!

Unsere inneres Erleben in Form von Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen und Empfindungen können wir nicht direkt beeinflussen. Es gibt keinen Schalter gegen Unruhe, Erschöpfung oder Selbstzweifel.

Was wir jederzeit steuern können, ist unser äußeres Verhalten. Und wenn dieses in Einklang mit unseren Werten und Bedürfnissen steht, wirkt es salutogen – und damit psychisch und körperlich gesundheitsfördernd.

Glücklich sein bedeutet viel mehr, als sich einfach nur gut zu fühlen. Es bedeutet, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu führen. In Verbindung zu sich, der Natur und allen lebenden Wesen zu sein. Anderen zu helfen.

Stellen Sie sich immer die Frage: Was kann ich verändern und beeinflussen? Hadern und kämpfen Sie nicht mehr gegen die äußeren und inneren Bedingungen, die Sie nicht steuern können.

Lenken Sie stattdessen die volle Aufmerksamkeit auf die Veränderung Ihres Verhaltens in den Bereichen, in denen Handlungsbedarf besteht. Vielleicht Ihre Ernährung, Bewegung, Atmung, Schlafgewohnheiten oder Zeiteinteilung? Oder Ihre private und berufliche Neuorientierung?

Dieser grundlegende Mindshift verändert Alles.

Unternehmen statt unterlassen

Ein Unternehmer führt eine Unternehmung, um etwas zu unternehmen. Und nicht, um etwas zu unterlassen.

Auch wenn speziell in Deutschland das Unternehmergen seit langem schwächelt und Sicherheit vor Wachstum gilt, sollten wir angesichts der aktuellen Herausforderungen unser bisheriges Verhalten hinterfragen.

Ein namhafter Politiker formulierte es kürzlich zugespitzt:

„Deutschland hat jahrelang günstig importiert, teuer exportiert und für seine Sicherheit waren die Amerikaner zuständig. Damit ist jetzt Schluss.“

Wir müssen lernen, wieder mehr zu geben als immer nur zu fordern. Größere Kontexte sehen als nur unsere kleine eigene „Realität“. Selbstzentrierung ist die Quelle von Leid, sagen alle asiatischen Philosophien von Indien bis Japan.

Wenn wir den Klimawandel verlangsamen, die weltweite Armut reduzieren und die Welt friedlicher machen möchten, müssen wir dafür einen gewissen Preis bezahlen. Und unseren persönlichen Beitrag leisten.

Alles ist miteinander verbunden. Auch unsere Gesundheit entsteht nicht durch die Einnahme eines Medikamentes oder einer einzelnen therapeutischen Maßnahme. Sondern durch kontinuierliches salutogenes Verhalten in Körper und Geist.

Politik und Wirtschaft sind wichtig, sie schaffen die Basis für Wohlstand.

Noch wichtiger ist jedoch unser eigenes Denken und Handeln. Daraus entsteht psychisches und körperliches Wohlbefinden. Und aus innerem Frieden entsteht äußerer Frieden.

Arbeiten wir daher in den nächsten drei Monaten mehr an unserem Mentalitätswechsel als nur einem Regierungswechsel.

  • Vom Unterlassen zum Unternehmen.
  • Von der Vermeidung in proaktives Handeln.
  • Von rein strategischen Reaktionen in wertegeleitetes Handeln.

 
Wenn das geschieht, ist der Name des neuen Bundeskanzlers zweitrangig.